
Für die Photokina hatte ich in diesem Jahr eigentlich drei Tage eingeplant, es dann jedoch nicht rechtzeitig geschafft, im Norden los zu kommen. Dafür war ich dann nach der ersten Nacht im Hotel in Köln perfekt ausgeschlafen und stand hoch motiviert um neue Eindrücke zu gewinnen, bereits eine halbe Stunde zu früh in der Schlange vor dem Einlass am Eingang Nord.
Als ich mich dort so umsah, kamen mir erste Zweifel daran, ob ich für einen Messebesuch auch gut gerüstet sein würde. Sehr viele Messebesucher hatten prall gefüllte Fotorucksäcke auf dem Rücken, eine DSLR mit 70-200mm Objektiv und aufgesetzter Streulichtblende um den Hals und manche waren sogar mit weiblichem "Assi" in Form der Ehefrau am Start, welche den großen Think Tank Trolley mit der gesamten Ausrüstung hinter sich her zerrte. Hatte ich etwas verpasst? Würde ich überhaupt eingelassen werden ohne mindestens 15 Kg Ausrüstung an mir dran bummeln zu haben?
Aber als sich die Pforten schließlich öffneten, durfte auch ich zum Glück, nur mit meiner kleinen Umhängetasche für Prospektmaterial behängt, passieren und dem Strom in die Hallen folgen.
Nachdem ich drei Hallen durchwandert und einige Zeit auf dem Stand von California Sunbounce die dort präsentierten Neuheiten angesehen und mit einem Plausch mit Peter Geller verbracht hatte, war ich auf der Suche nach einem Plätzchen um meinen Hintern parken zu können und um die schmerzenden Beine zu entlasten. Schnell wurde ich in Halle 9 fündig. Hier, wo noch vor zwei Jahren Guido Karp seinen grandiosen Stand mit riesiger Live Bühne und vielen Weltklassefotografen gehabt hatte, residierte in diesem Jahr der Nude- und Celebrity Fotograf Manfred Baumann. Anscheindend von Hensel gesponsert, zeigte Manfred Baumann den Einsatz von Hensel Blitzen in spartanisch lächerlicher Kulisse mit einem Model. OK, ich war zu spät und die Show schon fast vorüber als der nächste Programmpunkt angekündigt wurde. Mit Glück ergatterte ich eine freien Sitzplatz und freute mich auf den angekündigten Workshop (!) mit dem Titel "Fine Nude Photography". Prima, dachte ich. Gemütlich sitzen, Rücken und Beine regenerieren, dabei auf dem iPad die nächsten Standbesuche planen und nebenbei noch etwas lernen.
Gerade wollte ich mich entspannen, da kam Leben ins um mich herum sitzende und stehende Publikum. Wie auf ein für mich unsichtbares Kommando hin, wurden Kameras klar gemacht, die längsten Brennweiten wurden montiert und so manches 200mm Tele mit Konverter in Anschlag gebracht. Manfred Baumann betrat die Bühne und mit ihm ein weibliches Model welches sehr leicht bekleidet auf einem roten Sofa platznehmen durfte. Auch waren rund 10 zuvor ausgewählte "Workshop Teilnehmer" anwesend, die nun auch mit auf die Bühne durften. Zweifellos musste sich diese Gruppe irgendwie durch besondere fotografisches Fachwissen qualifiziert haben. Jedenfalls hatte einer von ihnen einen dieser gigantisch großen Selbstbau-Ringblitze aus Pappe oben auf seiner Kamera montiert, was sehr beeindruckend aussah. Leider kam diese Profiausrüstung zu meiner und der neben mir sitzenden Fotografin Enttäuschung nicht zum Einsatz.
Das triviale Hensel Lichtsetup mit zwei Striplights rechts und links vom Model war voreingestellt, und die Parameter wie ISO und Zeit wurden bekanntgegeben. Den "Workshop Teilnehmern" wurde erlaubt einzeln vorzutreten und abwechselnd je 5 Fotos zu machen. Weitere fotografische Hinweise oder nützliche Tipps von Manfred Baumann gab es nicht. Nun konnte der "Workshop" beginnen und das Model auf ihrem Sofa ließ die Hüllen fallen. Zu sehen war jetzt für mich nichts mehr, da vor mir einige beleibte ältere Herren aufgesprungen waren und wie irre die Serienbild-Geschwindigkeit ihrer Kamera auszuprobieren schienen. Welch ein Gedränge und Geschiebe in den Reihen neben und hinter mir. Am roten Teppich in Cannes hinter der Absperrung für die Fotografen, muss es dagegen vergleichsweise entspannt zugehen. Schnell wurde mir nun klar, warum all diese Besucher ihre gesamte Ausrüstung mit über die Messe schleppen. Die waren nur auf der Suche nach ein paar Nippeln und den entsprechenden Trophäen auf ihren Speicherkarten. Was für eine traurige Nummer! Können sich diese Männer keinen "Playboy" leisten? Das wäre doch ganz sicher billiger, als der Eintritt für die Messe. Es war Zeit für mich, schnell zu verschwinden und die mit vor ungläubigem Erstaunen offenem Mund neben mit sitzende Fotografin allein zu lassen bevor ich noch zu einer Erklärung hätte genötigt werden können. Schnell weg mit Ärger über so wenig Niveau und vor Scham über meine fotografierenden Geschlechtsgenossen.
Warum sich ein zweifellos guter Fotograf wie Manfred Baumann für so etwas hergibt, ist mir ein Rätsel. Sein nicht zu übersehender Büchertisch und der täglich mehrfach stattfindende Programmpunkt "Calendar-Signing" können dies doch wohl kaum wettmachen. Kein Vergleich war dieses "Messe Event" jedenfalls mit den 2010 an gleicher Stelle präsentierten Weltklassefotografen wie Mike Larson, Steve Thornton, David Mecey oder Tim Mantoani welche Guido Karp mit spannenden, informativen und vor allem ausführlichen Vorträgen auf die Bühne gebracht hat. Wenn die Messegesellschaft nicht bereit ist, in attraktive Events zu investieren, verliert die Photokina für mich einen großen Teil ihrer Attraktivität. Kameras und Objektive begrabbeln, kann ich auch im Laden.
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